Auszug aus dem Buch: „Gesundheit ist kein Zufall“
Ohne Wasser gäbe es kein Leben auf unserem Planeten. Wasser ist die Quelle, die alles Lebendige nährt und erhält. Ein genauer Blick auf das köstliche Nass in punkto Gesundheit ist daher sinnvoll. Sauberes Brunnenwasser steht in der Diskussion, mit daran beteiligt zu sein, gesund alt zu werden. In den sechziger Jahren ergaben Untersuchungen des Wasserexperten Professor Louis-Claude Vincent[1] in verschiedenen Städten Frankreichs, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Qualität des Leitungswassers und der Erkrankungs- und Sterberate in der Bevölkerung besteht. Vincent, der für die US-Armee arbeitete, fand heraus, dass die Sterblichkeit in Städten mit hoher Wasserqualität wesentlich niedriger war als in Städten mit hartem, also kalkhaltigem und belastetem Wasser.
Außerdem entdeckte der Forscher klare Zusammenhänge zwischen schlechter Wasserqualität und der Häufigkeit von Krebserkrankungen. Er stellte weiterhin fest, dass die Lebenserwartung der Menschen innerhalb von 30 Jahren fast überall gesunken, in einer einzigen Stadt jedoch signifikant angestiegen war: in Volvic, aus dem das bekannte Volvic-Quellwasser stammt. Diese Beobachtung entsprach ganz Dr. Coandas[2] langjähriger Vermutung, nach der eine Langlebigkeit bei bester Gesundheit an Orten mit besonders guter Wasserqualität auftritt. Er prägte den Ausdruck Du bist, was Du trinkst. Das gleiche Phänomen vermutet man bei den Bürgern des italienischen Campodimele und im Gebirge von Bulgarien.
Der Zusammenhang zwischen Wasserqualität und Gesundheit scheint plausibel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich der Mensch je nach Alter zu unterschiedlichen Anteilen aus Wasser zusammensetzt
64 Prozent des Körperwassers entfallen auf den intracellulären und 36 Prozent auf den extracellulären (28 Prozent im Zwischenzellraum und 8 Prozent im Blut) Raum[3]. Während ein Embryo noch zu 93 Prozent aus Wasser besteht, sinkt der Anteil beim jungen Mann auf 64 Prozent und bei der jungen Frau auf 53 Prozent.
Im Alter verringert sich der Anteil noch weiter, beim Mann auf 53 Prozent und bei der Frau auf 46 Prozent. Denken wir an die Austrocknungstheorie des Galen, die den Alterungsprozess charakterisiert. Die tägliche Wasserbilanz im Körper muss konstant bleiben, was bei kranken Personen oft nicht der Fall ist, weil entweder zu viel Wasser ausgeschieden oder zuwenig getrunken wird und umgekehrt zu viel getrunken wird und zu wenig ausgeschieden.
Beim gesunden Menschen hält sich die Wasserbilanz in Waage. Die durchschnittliche tägliche Wasseraufnahme beträgt 2,5 Liter wovon ca. 1,3 Liter über Getränke, 0,9 über die Nahrung und 0,3 Liter als Oxidationswasser[4], aufgenommen werden. Dem gegenüber erfolgt die Ausscheidung von 1,5 Liter als Urin, 0,9 Liter über Haut sowie Lunge und 0,1 Liter über den Kot[5].
Die reinigende Kraft des Wassers
Schon die alten Griechen wussten von der Kraft, der Notwendigkeit und der Heilkraft des Wassers, indem sie den Aquamarin (aqua bedeutet Wasser und mare heißt Meer) als Symbol der Reinheit ansahen, der angeblich das Zusammenwirken der Körpersäfte reguliere. Bade- und Schwitzhäuser aus vergangenen Epochen zeugen vom Wissen dieser gesundheitlichen Wirkung. Der Fischmensch ‚Apkallu’ im alten Assyrien ebenso wie ‚Enki’, der assyrische Gott der Weisheit und Magie symbolisieren die kultische Reinigung mit heiligem Wasser. Nicht grundlos wurde und wird die religiöse Taufe symbolisch in einem Fluss (Ganges) oder Meer (rotes und totes Meer) vorgenommen und nicht in einem stillstehenden Tümpel. Die Heiler der Essenermönche, wie Johannes der Täufer, waren gute Naturbeobachter und bedachte Hygieniker, welche die Heilkraft des Wassers schätzten. Wer sich taufen ließ, bekundete damit, den Weg der inneren und äußeren Reinigung zu gehen und damit Gesundheitsprävention zu betreiben, die in einem gesunden Kopf beginnt.
Schon vor Tausenden von Jahren war die Wirkung von Salzwasser, das Keimen und Pilzen jegliche Lebensgrundlage nimmt, bekannt. Ein Wissen, das schon die alten Griechen nutzten, die Meerwasser und Sonne erfolgreich gegen Hauterkrankungen, kleine Verletzungen und Ekzeme einsetzten. Dass sauberes Wasser effektiv vor todbringenden Seuchen schützt, galt als damaliger Wissensstand. Ob in Ephesos[6], wo schon im 3. Jh. v.Chr. Wasserleitungen die Stadt durchzogen und das frische Nass über kilometerlange Aquädukte herangeschafft wurde oder im antiken Rom – was als vorbildlicher Hygienestandard galt, verfiel mit dem Untergang des Hellenischen und Römischen Reiches und geriet in Vergessenheit. Die graue Zeit des Mittelalters warf seine Schatten.
Viele Menschen, vor allem Frauen, lieben es zu baden. Verständlich, denn ein warmes Bad entspannt. Dies mag auch der Hauptgrund für eine Unterwassergeburt sein, der ich aber keinesfalls zustimme – da wir keine Fische sind, halte ich diese Methode für unphysiologisch. Zum Reinigen ist ein Vollbad aber weniger geeignet, denn man badet ja im eigenen Dreck. Selbst wenn man sich am Ende des Bades abduscht, sind bereits Schmutzpartikel und Chemikalien der Badezusätze in die aufgeweichte Haut eingedrungen. Zum anderen wird durch ein langes Bad mit fettlösenden Seifen der Haut Fett entzogen. Die Haut wird spröde und verliert an Elastizität. Zur Reinigung sollte daher immer auf eine Dusche zurückgegriffen werden, zumal dadurch negative Ladungen sowie Säureausscheidungen abgespült werden. Man spült das ‚Schlechte’ ab und badet nicht noch darin.
Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war Baden verpönt, lieber puderte man sich täglich ein, um dem Körpergeruch Herr zu werden, doch der Dreck blieb. Besichtigt man Schlösser und Bürgerhäuser aus der besagten Zeit, stellt man neben übersprudelndem Pomp erschreckend fest, wie unbedarft man in Sachen Toilette eingerichtet war. Dem Luxus gegenüber standen im schroffen Gegensatz die erbärmlichen hygienischen Einrichtungen. Zwar gab es in den Städten und einigen größeren Dörfern öffentliche Bäder, doch diese dienten mehr dem Vergnügen als der Hygiene. Dass der mittelalterliche Mensch dennoch mehr Wert auf Reinlichkeit legte, als die Menschen im 16. und 17. Jahrhundert, liegt an den Bemühungen der Kirche, deren Augenmerk allerdings mehr der sittlichen Reinheit galt als der medizinisch-hygienischen.
Hygienische Probleme treten immer dann auf, wenn die Kapazitäten der Gesundheitsmaßnahmen von Städten oder Dörfern überschritten sind. Mit der Städtebildung Deutschlands im 11. Jahrhundert barsten die Städte aus allen Fugen. Mit dem gleichen Wohnraum, wo vorher weniger als 100.000 Einwohner lebten, das der größten Bevölkerungsdichte einer deutschen Stadt vor dem 11. Jahrhundert entsprach, mussten sich nun in kürzester Zeit Zehntausende mehr zufrieden geben. Die Städte waren nicht auf Vergrößerung eingerichtet, was zu sanitären Missständen führte.
Mangelnde Hygiene war nicht zuletzt der Auslöser für die verheerenden Pestzüge in Europa[7]. Zwar kannte man den Schwarzen Tod schon in der Antike, aber zur Geißel wurde er erst im Mittelalter, wo ein Drittel der Bevölkerung, etwa 25 Millionen, durch die Seuche zu Tode kam. Ob es sich bei der Antoninischen und Justinianischen Pest der Spätantike, tatsächlich um Pest gehandelt hatte, ist wegen der damals unzureichenden Diagnosemöglichkeiten fraglich.
Das Wegschaffen des Unrats war im Mittelalter ein ähnlich prägnantes gesundheitstechnisches Problem wie die Tierhaltung in der Stadt. Eine Kanalisation, wie im antiken Rom, war unbekannt. Der Frankfurter Stadtarzt Joachim Struppius[8] forderte deshalb energisch das Verbot, Urin auf die Straßen auszugießen. Der Weg zu einem neuen Gesundheits- und Reinlichkeitsbewusstsein war geebnet. Im 12. Jahrhundert entstanden medizinische Lehrgedichte und Texte, wie das „Regimen sanitatis salernitatum“ der Medizinschule in Salerno neben vielerlei Ratgeber zur Körperpflege.
Dennoch reichte die Hygienebewegung nicht aus, um einen allgemeinen Gesinnungswandel herbeizuschaffen, denn selbst in Klöstern hielt sich noch die Unsitte, nur am Samstagabend den ganzen Körper zu waschen, um rein und würdig für die Sonntagsmesse gerüstet zu sein.
Ein Bad wurde nach Möglichkeit vermieden, es reichte den Mönchen, sich zweimal jährlich zu baden, an Ostern und zu Weihnachten. Ansonsten wusch man sich den nackten Oberkörper. Als hygienische Hauptmaßnahme galt bei den Mönchen jedoch der Aderlass. Basierend auf den Medizinkenntnissen des Altertums war man sich im Mittelalter bewusst, dass die Pest eine Verunreinigung (griech. miasmata) als Ursache hatte. Jedoch wurden die falschen Gegenmaßnahmen ergriffen. In den Jahren der Pestwellen glaubte man sogar, die Krankheit käme über aufgeweichte Poren in den Körper hinein, was man zum Anlass nahm, den Körper durch eine Schmutzschicht schützen zu wollen. Mit der so genannten ‚Trockenen Wäsche’ wischte man lediglich Körperstellen mit sauberen Tüchern ab. Selbst Anfang des 19. Jahrhunderts galt noch die Regel, nur einmal in der Woche zu baden, öfter nicht.
Neben der Pest grassierten Syphilis, Tuberkulose, Cholera, Pocken, Typhus und Lepra, die ihren Höhepunkt im 14. Jahrhundert erreichte. Unsauberkeit und Trinkwasserverschmutzung wurden zum permanenten Gefahrenrisiko. Anhand neuerer Ausgrabungen in Athen konnte nachgewiesen werden, dass die zuerst für Pest gehaltene Seuche zum Ende des Peloponnesischen Krieges Typhus war. Thukydides berichtet darüber[9]: Die Körper lagen, während sie verendeten, einer über dem anderen; einige wälzten sich, nach Wasser lechzend, auf den Wegen, die zu den Brunnen führten, halb tot auf der Erde. Die geweihten Stätten, in denen man sich eingerichtet hatte, lagen voller Leichen, die Menschen waren da gestorben, wo sie sich hinbegeben hatten. Vor einer solchen Entfesselung des Leids achteten sie, da sie nicht wussten, was aus ihnen würde, überhaupt nichts mehr, nicht göttliche, nicht menschliche Ordnung.
Auch hier führte ein Flüchtlingsstrom zum Überquellen der Stadt Athen. Die Folge waren Verunreinigungen von Wasser, Wohnraum und Lebensmitteln, die letztlich zur Verbreitung von Typhus und Cholera beitrugen.
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besann man sich auf die Hygienemaßnahmen antiker Völker. Der Begriff ‚Hygiene’ wurde Synonym für Gesundheitsprävention und Sauberkeit. Erst mit Max von Pettenkofer[10], der die Cholera überstanden hatte, widmete man sich Untersuchungen zur Verunreinigung des Wassers, der Kanalisation und des Bodens.
Etwa zeitgleich erfuhren äußerliche Wasseranwendungen durch Sebastian Kneipp[11] einen erneuten Durchbruch.
Inspiriert von dem Büchlein „Die wunderbare Heilkraft des frischen Wassers bei dessen innerlichem und äußerlichem Gebrauch auf die Leiber der Menschen durch die Erfahrung bestätigt“ von Dr. med. Johann Siegmund Hahn[12] erprobte er die Wirkung des Wassers am eigenen Leibe.
Als geweihter Priester vertiefte er dieses Wissen und rettete dadurch 42 Menschen, die von der Cholera befallen waren, das Leben. Hierbei verwendete er erstmals heiße in Essigwasser getauchte Wickel und heiße Milch mit Fenchel. Von nun an wurde er mit dem Beinamen ‚Cholerakaplan’ bedacht. 1886 vollendete er sein Buch „Meine Wasserkur“. Darin behandelt er Wasseranwendungen häufig begleitet durch Kräuterzusätze. Die Hauptwirkung schreibt Kneipp jedoch der gezielten Anwendung von kaltem und warmem Wasser zu, die eine Blutzirkulation verbessere. Dem Wesen aller Krankheiten entsprechend, wornach diese durch Störungen des Blutes, nämlich durch abnormalen, fehlerhaften Blutumlauf oder durch dem Blute beigemischte, verdorbene, fremdartige Bestandtheile, die Krankheitsstoffe, entstehen![13]
Eine verbesserte Zirkulation des roten Saftes, solle demnach Blockaden auflösen, Ausscheidungsprozesse fördern und den Organismus kräftigen. Hierbei halfen ihm Aufschläge, Bäder, Dämpfe, Gießungen, Waschungen, Wickelungen und das Trinken von Wasser.
Kneipps Bestreben galt zwar in erster Linie der Heilung von Krankheiten, aber auch mit zunehmendem Maße der Vorbeuge. Hier ist die präventive Förderung der Durchblutung zu nennen, die eine Ausleitung von Giften zur Folge hatte und den Körper abhärtet. Ich will hier nicht auf die einzelnen Verfahren eingehen, sondern erwähne eher diese einfachen, kostengünstigen und doch so wirkungsvollen Methoden. Wir vergessen zu gerne alte bewährte Maßnahmen, weil sie leider oft als unprofessionell und antiquiert gelten. Wichtig – wie bei allen Anwendungen – ist die sachliche und genaue Einhaltung der Empfehlungen von Kneipp. Fehlerhafte Durchführungen bringen keinen Erfolg. Nur ein Beispiel anhand der Wechselbäder: Kurzes Eintauchen in ein Becken mit kaltem Wasser im Wechsel mit einem mindestens fünfmal so langen Verweilen im Warmwasserbecken muss solange fortgeführt werden, bis man im warmen Wasser ein feines Prickeln der gesamten Haut verspürt. Wer nur kurz zweimal in jedem Becken eintaucht, wird keine ausreichende Durchblutung der Peripherie erreichen. Diesen Fehler habe ich oft nach Saunagängen beobachtet. Eine gute Sauna bietet daher neben einem Kaltwasserbecken ein Warmwasserbecken an.
Präventiv zur Abhärtung empfiehlt Pfarrer Kneipp weiter das Barfußgehen allgemein und besonders im nassen Grase, auf nassen Steinen, auf neugefallenem Schnee und im kalten Wasser. Auch das Eintauchen der Arme und Beine in kaltes Wasser sowie den Knieguss sollen hilfreich sein. Allerdings darf man dies nicht übertreiben. Ein kaltes Fußbad sollte nicht länger als 1-3 Minuten währen, während das warme Fußbad durchaus 12-15 Minuten dauern darf. Bei den Warmbädern setzt Kneipp immer unterschiedliche Substanzen hinzu, wie Salz und Holzasche, Heublumensamen, Haberstroh, Malzträber, Fichtennadeln oder Zinnkraut. Großes Augenmerk legte er darauf, dass gesunde Menschen, denen kalt ist, die an unterkühlten Füßen leiden oder die einfach fröstelt, nie ein kaltes Vollbad nehmen. Auch der Erhitzte sollte nicht länger im kalten Wasser baden als maximal eine Minute. Das sehen die Abhärtungsfreaks ja wohl ganz anders, die erst Eisschollen entfernen, um dann fünf Minuten und länger im kalten Wasser auszuharren, nur um nicht als Weicheier oder Warmduscher zu gelten. Derartige Übertreibungen sind wenig hilfreich für die Gesundheit. Andererseits rät Kneipp den Menschen mit frischer, geröteter Haut, die von Haus aus erhitzt sind, von einem Warmbad ab. Zum Aufwärmen und Entspannen ist ein Bad in der Wanne allerdings empfehlenswert. Regenerierend wirkt ein Basebad mit 100g Natriumbikarbonat pro Vollbad. Eine halbe Stunde darin baden senkt den pH-Wert und entspannt. Auch in der alten indischen Heilkunst waren Anwendungen mit warmem und kaltem Wasser sehr beliebt.
Hierbei sei eine Bemerkung zum Schwimmen eingefügt. Schwimmen im temperierten (16-24°C) Wasser trainiert den gesamten Körper belastungsfrei, was für Gelenke und Wirbelsäule von äußerster Wichtigkeit ist. Eine vorsorgliche Entspannung durch regelmäßiges Schwimmen beugt Verhärtungen und Abnutzungen vor. Wer das Glück hat am Meer zu wohnen, sollte dieses auch nutzen. Die Kraft des Salzwassers ist unbestritten. Der französische Arzt Bonmardiere führte Anfang des 20. Jahrhunderts Meerwasserkuren zu einer Renaissance. Seitdem erfreuen sie sich als so genannte Thalassa-Bäder einer breiten Anhängerschaft. Selbst in Meeresnähe werden solche Wellness-Einrichtungen angeboten. Aber warum in Salzwasser-Pools mit Kranken planschen, wenn das Meer, in seiner unnachahmbaren Natürlichkeit vor der Haustür zum Baden lädt?
Wasser – Innere Anwendung
Als Trinkhinweis bemerkt Kneipp, man solle nie zuviel in sich hineinschütten, sondern stets nur so viel bis der Durst gestillt ist. Ich kann dem nur voll zustimmen, denn die unsinnigen Empfehlungen mancher Ärzte und Ernährungsberater, unbeachtet der persönlichen Verfassung, mindestens drei Liter Flüssigkeit pro Tag zu trinken, ist schlichtweg falsch. Um die Menge von drei Liter herunterzuwürgen muss sich ein älterer Mensch oft quälen. Dieser Aufruf zur kollektiven Selbstvergewaltigung ist fahrlässig. Wozu haben wir denn den natürlichen Indikator Durst, wenn wir ihn nicht beachten? Ausnahmen ergeben sich lediglich in Situationen, in denen der Körper einen Mehrbedarf an Flüssigkeit nicht signalisiert: nämlich bei Nierensteinen, Nieren- oder Blasenentzündungen sowie bei hohem Tablettenkonsum. Nötig wird dies auch bei vermehrter Giftstoffaufnahme oder körpereigener Giftproduktion, wie sie bei Fastenkuren oder entzündlichen Prozessen entstehen. Bei diesen Ausnahmen sollte man tatsächlich zusätzlich zu der Nahrung mindestens drei Liter Flüssigkeit pro Tag trinken – aber keine Flüssigkeit, die wiederum Stoffe enthält, die den Körper belasten wie Zucker, Süßstoff, Alkohol, Farbstoffe oder ähnliches. Schwitzt man sehr, sei es durch Muskelarbeit oder Sauna, stellt sich der nötige Durst von alleine ein, dem man auch Folge leisten sollte.
Sind diese Umstände nicht gegeben, liegt der normale Tagesbedarf, um die regelmäßig anfallenden Stoffwechselgifte aus dem Körper zu entfernen, bei eineinhalb bis zwei Liter pro Tag[14]. Die Unsitte, während des Essens zu trinken, lehnt Sebastian Kneipp ab, denn dies sei für die Verdauung kontraproduktiv. Damit hat er vollkommen Recht, denn ein zu verdünnter Speisebrei erfordert eine erhöhte Produktion der Magen-Salzsäure oder von Natriumbikarbonat im Dünndarm. Ich rate davon ab, zu kaltes Wasser zu trinken. Unter ‚zu kalt’ verstehe ich Wassertemperaturen von unter 13°C. Der beliebte Griff in den Kühlschrank ist demnach alles andere als gesundheitsförderlich.
Ich denke dabei immer mit etwas Wehmut an meine Kindheit, als wir mehrmals wöchentlich auf einer Wiese, unserem heißgeliebten Bolzplatz, Fußball spielten. Irgendwann erschien dort auf einmal ein pensionierter, jedoch sportlicher Herr namens Quitter, der sich anbot, uns zu trainieren. Mit viel Hingabe und Einfühlungsvermögen kümmerte er sich uneigennützig um uns Jugendliche. Damals wie heute eine Seltenheit. Einer seiner Ratschläge war, nach dem Spiel oder in der Pause, wenn man sehr erhitzt ist und schwitzt, kein kaltes Wasser hinunterzustürzen. Nur zu gern nutzten wir den nahen Brunnen, um gierig unseren Durst mit dem kalten Nass zu löschen. Damit war es nun vorbei. Zuerst spülten wir nur den Mund aus, um dann langsam kleine Schlucke zu trinken. Wichtiger war das Benetzen von Stirn und Nacken mit dem erfrischenden Quellwasser.
Gesundheitsbewusste Chinesen trinken überhaupt kein kaltes Wasser, sondern heißes – pur oder als Tee. Zwei aussagekräftige Sätze möchte ich hier einfügen: Wahrlich sage ich euch, eure innere Unsauberkeit ist viel größer als die äußere. Und weiter: Die innere Wassertaufe räumt den Leib von allem Unrat aus, wiederholt diese Taufe jeden Tag solange ihr fastet.
Kein geringerer als Jesus sprach diese Worte, was belegt, dass gewisse Erkenntnisse über Wasserbehandlungen weit zurückreichen. Mit der Wassertaufe ist also bei weiten keine religiöse Taufe gemeint, sondern eine schlichte Anweisung zur inneren Körperreinigung. Jesus, der als Eingeweihter essenischer Heilslehren galt, war wie die Essenermönche ein Therapeut und hatte die Taufe von Johannes dem Täufer als Sinnbild übernommen. Ein pragmatisches Wissen, das in den folgenden Jahrhunderten zu religiösen Symbolen verkehrt wurde. Viele seiner Heilsempfehlungen wurden dadurch leider in die religiöse Ecke verbannt, wo sie sich einer objektiven Betrachtungsweise entziehen. Wir wissen, dass durch eine vermehrte Flüssigkeitszufuhr die Nieren ausgeschwemmt werden, das Blut gereinigt wird und Giftstoffe den Körper schneller verlassen. Es ist ratsam so viel zu trinken, bis der Urin klar ist. Ein zu hoch konzentrierter Urin wirkt als Gift und schädigt Nierentubuli und Blase. Gleich morgens sollte man als erstes ein Glas klares Wasser trinken, um den Stoffwechsel in der morgendlichen Ausscheidungsphase besser in Gang zu bringen. Nicht ganz leicht, denn täglich stellt sich die Frage, welchem Wasser man den Vorzug geben soll.
[1] Louis-Claude Vincent (* 1906; 1988)
[2] Henri Marie Coanda (* 7.Juni 1886 in Bukarest; 25.November 1972 in Bukarest), studierte in Berlin, Liége und Paris Physik und Aerodynamik. Zeit seines Lebens war er auf der Suche nach dem Quell der Jugend.
[3] Löffler/Petrides; „Physiologische Chemie“
[4]Oxidationswasser entsteht beim Stoffwechsel wie bei der Glukoseverbrennung
[5] Silbernagl/Despopoulos; „Taschenatlas der Physiologie“; 1991
[6] G. Wiplinger; “Cura Aquarum in Ephesus”, Proceedings of the 12th Internatinal Congress on the History of Water Management.
[7] 1349-1350 n. Chr.: Erste Pestwelle
1361-1363 n.Chr. : Zweite Pestwelle
1369-1371 n.Chr. : Dritte Pestwelle
1374-1375 n.Chr. : Vierte Pestwelle
1390 n.Chr. : Fünfte Pestwelle
1400 n. Chr. : Sechste Pestwelle
[8] Joachim Struppius (* 1530; † 1606) war Theologe, Arzt und Apotheker. Von ihm stammt das erste Hygienebuch der Welt. In einer Publikation aus dem Jahre 1573 steht dazu erklärend: Nützliche Reformation zu guter gesundheit und Christlicher Ordnung, sampt hierzu dienlichen erinnerungen waser gestalt es an allen örtten wie auch allhier zur Seelen und Leibes wolfarth etc. löblichen und nützlichen zuhalten.
[9] Thukydides II, 52
[10] Der Münchner Arzt Max von Pettenkofer (* 1818; † 1901) gilt als Vater der Hygiene in Deutschland.
[11] Sebastian Kneipp (* 17. Mai 1821 in Stephansried bei Ottobeuren; † 17.06.1897)
[12] Dr. Johann Siegmund Hahn (* 13.11.1696; † 27.07.1773) war Mitbegründer der Wasserheilkunde und Doktor der Medizin und Philosophie.
[13] Sebastian Kneipp; „Meine Wasser-Kur“; 1888
[14] Prof. Jürgen Floege
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