Gesundheitsthemen

Wie alt wird der Mensch?

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Wie alt wird und kann der Mensch werden?

Wie alt wird der Mensch – Eine Frage, die die Menschheit seit Urzeiten beschäftigt.

 

Rahmenbedingungen für ein hohes Alter

Die eben gestellten Fragen beschäftigen die Menschheit seit Urgedenken, denn nahezu jeder hofft auf ein hohes Alter bei bester Gesundheit. Doch wie können die Rahmenbedingungen optimiert werden, um diesem Ziel näher zu kommen? Vielleicht lassen Rückschlüsse aus der Tierwelt mit ihren extrem unterschiedlichen Lebenserwartungen es zu, Lebensbedingungen und Ernährungsgewohnheiten auf den Menschen zu übertragen. Eine uralte Diskussion dreht sich um die Frage, wer wohl länger lebt, der Fleisch-, der Alles- oder der Pflanzenfresser? Auf der Suche nach einer Antwort habe ich nachstehende Zahlen aus tiermedizinischen und zoologischen Büchern zusammengetragen. Sie geben Aufschluss über Essgewohnheiten und deren Einfluss auf das Lebensalter. Ich habe nur die Tiere aufgeführt, die eine relativ hohe Lebenserwartung haben. Mit drei Ausnahmen: Das dem Menschen genetisch sehr ähnliche Schwein, die Kröte sowie den Frosch, die ich als bemerkenswerte Pendants den anderen Lebewesen gegenübergestellt habe.

Höchstalter von Tieren in Jahren
Tierart Verdauungssystem Höchstalter
Landschildkröte Pflanzenfresser 200
Gänsegeier Fleischfresser 118
Muscheln Allesfresser 100
Aal Fleischfresser 88
Wels Fleischfresser 80
Esel Pflanzenfresser 70
Alligator Fleischfresser 66
Seeanemonen Fleischfresser 66
Schimpanse vorwiegend

Pflanzenfresser

60
Elefant Pflanzenfresser 60
Pferd Pflanzenfresser 60
Kröten Fleischfresser 40
Frösche Fleischfresser 22
Schwein Allesfresser 12

 

Ob Pflanzen-, Fleisch- oder Allesfresser, jeder hat die gleichen Sorgen und Aussichten. Im Vergleich macht es anscheinend keinen Unterschied, welche Essgewohnheit bevorzugt wird. 

Vielmehr ist es das biopsychosoziale Umfeld mit Umweltverschmutzung, Klimaeinflüssen, Unterernährung, falscher Lebensweise und psychischen Belastungen, welche die Lebenserwartung mindern. 

Ein Esel kann in seinem Heimatland Nubien gut auf 70 Jahre hoffen, während er in unseren Breitengraden kaum mit einer höheren Lebenserwartung als dreißig Jahre zu rechnen hat. Bei uns Menschen ist das nicht anders. Wer unter extremen Klimabedingungen sein Leben fristen muss, ohne sich über Generationen hinweg genetisch darauf eingestellt zu haben, wird mit einer geringeren Lebensspanne rechnen müssen.

Aufgabe und Verdienst von Medizin, Ernährungswissenschaft und Politik sind es, alle möglichen negativen Auswirkungen auf unsere Lebenserwartung zu reduzieren. Ohne den Ballast an Umweltverschmutzung, Klimaschwankungen, Hygienemängel, Bewegungsfaulheit, Fehlernährung und psychosozialen Defiziten könnte sich der Mensch ohne Einnahme von Medikamenten auf einen gesunden Lebensabend freuen. 

Herzinfarkt, Diabetes und Krebs sind Krankheiten unserer hoch technisierten Welt, Zivilisationskrankheiten, die der antike Mensch kaum kannte. Gerade in den letzten 50 Jahren konnte man ein explosionsartiges Auftreten von Herzinfarkt und Diabetes beobachten. Unsere schnelllebige Zeit mit ihren veränderten Lebensgewohnheiten liefert dafür ideale Rahmenbedingen. 

Nicht uninteressant für die Industrie, der sich damit neue Märkte eröffnet. Fitness, Wellness, Nahrungsergänzer, Functional-Food, Life-Style-Medizin, ‚Wundermittel’ und Kosmetik liegen voll im Trend. Man könnte behaupten, die Wirtschaft habe geradezu auf einen derartigen Segen gehofft, bei dem die Umsätze so richtig auf Trapp gebracht werden. Sollte das nicht ein kleines Opfer wert sein? Und so ungesund kann Life-Style-Medizin doch auch wieder nicht sein, oder? 

Allen Ermahnungen und Beschwörungen zum Trotz stellte man jüngst fest, dass gerade im Sündenbabel USA die Diabeteshäufigkeit rückläufig ist. Dagegen steigt sie im Hungerland Indien. Ein Umstand, der uns zu denken gibt und alle gut formulierten Theorien umkrempelt. So glaubte man doch die Ursache für Diabetes in der Überflussgesellschaft zu finden. 

Nach Untersuchungen des englischen Universitätsprofessors Barker ist dies umgekehrt. Gerade wer als Säugling und im Kindesalter untergewichtig war, scheint später vermehrt zu Diabetes und Herzkreislaufschäden zu neigen. 

So sehr man auch sucht, ein Patentrezept für ein hohes Alter scheint es nicht zu geben. Oder doch? Im italienischen Campodimele sowie im bulgarischen Rodopengebirge, aber auch auf Kuba leben außergewöhnlich viele 100-Jährige – nicht in Pflegeheimen, sondern rüstig zuhause. Wie ist das möglich, was kann die Ursache sein? Ein Lebenselixier ist in keinem der Orte zu finden. In Campodimele mag die naturbelassene Ernährung, das klare Bergwasser, die Luft und der Verzehr von vergleichsweise wenig Fleisch mit eine Rolle spielen (siehe Kapitel „Nahrung“). Auch die Bergregionen Bulgariens liefern beste Luft und reines Wasser. 

Die Kubaner setzen auf Musik, Liebe und Maßhalten im Essen. Aber reicht das schon als Geheimtipp für ein gesundes Altern aus? Es liegt sicherlich nicht speziell an einer oder zwei Besonderheiten, sondern an den vielen Puzzle-Steinchen, die in ihrer Gesamtheit die Menschen dort ohne nennenswerte Krankheiten altern lassen. Dazu zählen vor allem die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft sowie der familiäre Verbund. 

Eine Studie der US-Wissenschaftler Perls und Silver von der Harvard University an über 100-Jährigen ergab, dass es nicht auf Wohlstand oder Diät ankomme, sondern auf eine optimistische Lebenseinstellung. 

Schon immer gab es Wegweiser und Richtlinien, die versprachen, das Leben zu verlängern – ob bei Hippokrates, Galen, Celsus oder in Hufelands Schrift „Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“, die um 1797 eine rege Verbreitung erfuhr. 1803 erschien das Werk „Versuch einer Lebenserhaltungskunde“ von Georg August Bertele (* 1767; † 1818), das vor allem Luft und Nahrungsmittel als lebenserhaltende Maßnahmen heraus­arbeitete. 

Der Mediziner Aulus Cornelius Celsus schrieb im 1. Jh. n. Chr. in seinem „De medicina libri octo“ (ein medizinisches Kompendium in acht Büchern): In früheren Zeiten seien die Menschen aufgrund ihrer Lebensweise ohne Müßiggang und Luxus gesünder gewesen. Das habe sich dann geändert, erst in Griechenland und später in Rom. Und so verlängere jetzt eine komplexe Medizin, derer es vorher gar nicht bedurfte und die andere Völker auch gar nicht kennen würden, das Leben von einigen wenigen zur Schwelle des Alters hin.  

Es ist interessant wie sich Geschichte wiederholt. Allerdings war diese Medizin, von der Celsus spricht, nur den Wohlhabenden vorbehalten, während heute, mit wenigen Ausnahmen, auch die breite Masse Zugang zu den medizinischen Errungenschaften gefunden hat. Statistisch gesehen wird der Mensch durchschnittlich immer älter. Diese Aussage ist allerdings leicht falsch zu verstehen, denn sie suggeriert, man hätte eine höhere biologische Lebenserwartung dank moderner Medizin. Dies ist aber falsch. Sicherlich hat es die Medizinforschung geschafft, Seuchen einzudämmen oder gar auszulöschen. 

Aber es gibt sie immer noch, die Geißeln der Menschheit, Lepra, Pest, Pocken und Tuberkulose. Jedes Jahr werden neue Fälle verzeichnet. Zwar ist die Kindersterblichkeit in den modernen Ländern nahezu auf Null gesunken, Tote durch Hunger gibt es nur noch in der dritten Welt und Seuchenzüge wie Influenza oder Pest fordern nicht mehr Millionen Tote, sondern Tausende. Auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen fallen weltweit weniger Menschen als noch vor 60 Jahren. Faktoren, die in einer Statistik erheblich zu Buche schlagen. Dennoch verhungert alle sechs Sekunden ein Kind in der Welt, mehr als 10 Millionen Kinder jährlich. In 99 Prozent dieser Fälle sind Armut und die daraus entstehender Unterernährung sowie Krankheit die Ursache. Und gerade in diesen Ländern werden die Menschen durch eine neue Seuche heimgesucht, durch AIDS. Laut der WHO gab es im Jahr 2005 weltweit 3,1 Millionen AIDS-Tote und seit 1981, dem Zeitpunkt ihres Bekannt werden, über 25 Millionen. Die meisten HIV-Infizierten leben im südlichen Afrika und Südostasien, die im Gegensatz zu Europäern wenig Hilfe zu erwarten haben.

Moderne Medizintechnik, Herzschrittmacher, Computer­tomographie, ein Boom an neuen Arzneien und Operationsmethoden sowie Lebensmittel im Überfluss tragen ihren Teil dazu bei, um den westlichen Menschen am Leben zu erhalten. Allerdings würde der moderne Mensch der letzten 50 Jahre ohne diese ‚Segnungen’ kaum älter als 70 Jahre werden. Dieses Alter überschritt ein gesunder Mensch schon vor Tausenden von Jahren, ohne die Errungenschaften der modernen Medizin. 

Die Langlebigen der Antike

Wie alt wird der Mensch

In der Schrift „Die Langlebigen“ (griech.= macrobioi) von Lukian findet sich eine lange Liste hochstehender Persönlichkeiten, die gesund ein überaus hohes Alter erreichten. Interessanterweise unterscheidet sich dieser Liste zufolge die maximal erreichbare Lebensspanne eines antiken Menschen nicht von der eines heutigen. 

Abgesehen von philosophischen Märtyrern wie Sokrates oder Seneca und einigen Unfallopfern, die auch oft ein stattliches Alter erreichten, wie Protagoras, der mit 90 Jahren nach Sizilien reiste und Schiffbruch erlitt, oder Xenokrates, der im Alter von 82 Jahren nachts in der Badewanne ausrutschte. Insgesamt finden sich mehrheitlich 70- bis über 100-Jährige. Eher belustigend sind einige der Todesursachen in dieser Liste. 

Stilpon aus Megara, bei dem auch Zenon, der Gründer der Stoa, Hörer gewesen sein soll, sei in hohem Alter gestorben, nachdem er Wein zu sich genommen habe, um das Ende zu beschleunigen. 

Menedemos, ein Schüler des Stilpon, habe mit 74 Jahren aus Verzweiflung durch eine siebentägige Hungersqual sein Leben beschlossen. 

Chrysippos sei mit 73 Jahren ebenfalls nach starkem Weingenuss und an einem Anfall übermäßigen Lachens gestorben. 

Kleanthes, ein Lehrer des Chrysippos, habe sich mit 80 Jahren der Nahrung enthalten, bis der Tod erfolgt sei. 

Diogenes Laertus soll mit 90 Jahren einfach die Luft angehalten haben bis er starb, um sich dem weiteren Leben auf solche Art zu entziehen.  

Demokritos habe durch den Duft von frischem Brot mit 109 Jahren, völlig schmerzlos seinen Geist aufgegeben. 

Empedokles, ebenfalls 109 Jahre alt, sei, nachdem er sich erhoben, in der Richtung auf den Ätna zu gewandert und bei den Feuerschlünden angelangt, sei er hineingesprungen und verschwunden, in der Absicht, den über ihn verbreiteten Glauben, er sei zum Gott geworden, zu bestärken.

In der folgenden Liste finden sich Persönlichkeiten von der Antike bis zur Neuzeit, die alle ein stattliches Alter erreicht haben. Die Aufstellung ist sicherlich nicht repräsentativ, denn sie spiegelt nicht das Durchschnittsalter jener Zeit wider. Dennoch lässt sie einen Rückschluss auf das biologische Alter zu. 

Das Alter bekannter Persönlichkeiten
Name geboren gestorben Alter
Albertus Magnus 1193 n.Chr. 1280 n.Chr. 87
Aristophanes  257 v.Chr. 180 v. Chr. 77
Epikur 341 v.Chr. 271 v.Chr. 70
Erasmus v. Rotter. 1466 n.Chr. 1536 n.Chr. 70
Erathosthenes 284 v.Chr. 202 v.Chr. 82
Euripides 484 v.Chr. 406 v.Chr. 78
Goethe 1749 n.Chr. 1832 n.Chr. 83
Gorgias, Sophist  485 v.Chr. 380 v. Chr. 105
Gutenberg 1397 n.Chr. 1468 n.Chr. 71
Händel 1685 n.Chr. 1759 n.Chr. 74
Haydn, Joseph 1732 n.Chr. 1809 n.Chr. 77
Hippokrates 460 v.Chr. 370 v.Chr. 90
Isokrates 436 v.Chr.  338 v.Chr. 98
Kant, Immanuel 1724 n.Chr. 1804 n.Chr. 80
Karl der Große 742 n.Chr. 814 n.Chr. 72
Konfuzius 551 v.Chr. 479 v.Chr. 72
Kopernikus 1473 n.Chr. 1553 n.Chr. 80
Max Plank 1858 n.Chr. 1947 n.Chr. 89
Perikles 500 v. Chr. 429 v.Chr. 71
Plank, Max  1858 n.Chr. 1947 n.Chr. 89
Platon 427 v.Chr. 348 v.Chr. 79
Plutarch 46 n.Chr. 120 n.Chr. 74
Pythagoras 570 v.Chr. ca.500 v.Chr. 70
Seneca 55 v.Chr. 40 n.Chr. 95
Sokrates 470 v.Chr. 399 v.Chr.  71 
Solon 640 v.Chr. 561 v.Chr. 79
Sophokles 497 v.Chr. 406 v.Chr. 91
Xenophon 430 v.Chr. 355 v.Chr. 75
Zarathustra 628 v.Chr. 551 v.Chr. 77 

Ganz schön alt, die Alten. Auch wenn der landesübliche Durchschnitt weit darunter lag, so bestand immerhin die Möglichkeit, auch ohne die ‚Segnungen’ der modernen Medizin ein beachtliches Alter zu erreichen. Menschen konnten zu allen Zeiten genauso alt werden, wie wir heute, sofern die soziobiopsychologischen Umstände es zuließen.

Die arme und körperlich schwer arbeitende Bevölkerung vermochte nicht so hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Es mangelte den Menschen oft an ausgeglichener und ausgiebiger Ernährung. Zudem lebten sie unter erbärmlichen und hygienisch schlechten Bedingungen, ohne sanitäre Anlagen, ohne sauberes Trinkwasser und in zugigen, kalten und nassen Behausungen. In dieser Hoffnungslosigkeit war ein langes Leben nicht vorprogrammiert. Am meisten hatten darunter Kinder und Jugendliche zu leiden. 

Hinzu kamen in den unterprivilegierten Schichten ein permanenter Schlafentzug durch hohe Arbeitsanforderungen, ein ständiger Existenzkampf und ein eklatantes Defizit an gegenseitigem Respekt. Es herrschte weit verbreitete Missachtung der Menschenrechte und physische wie psychische Gewalt. Die Menschen lebten in ständiger Angst. Keine gute Ausgangsposition für ein langes Leben. Was sich im Laufe der Jahrtausende änderte, war also nicht die genetische Veranlagung für eine hohe Lebenserwartung, sondern die sozialen Umstände und die medizinische Entwicklung. Damals wie heute glaubte bzw. glaubt man, dass das Höchstalter des Menschen bei 120 Jahren liegt. 

Die Frage ist nur, wie man dort hin gelangt, ohne auf der Strecke Geist und Glieder zu verlieren. In unserem heutigen Gesundheitssystem drängt sich der Vergleich mit einer Auto-Rally auf, bei der jeder mitmachen möchte, nach dem Motto ‚dabei sein ist alles’, egal ob der Wagen bereits auf Felgen läuft, der Auspuff qualmt, die Elektronik spinnt und der Motor auf dem letzten Loch pfeift. Wenn all die Oldtimer nur mit dem Abschleppwagen ins Ziel kommen, um dann verschrottet zu werden, muss man nach dem tieferen Sinn fragen. Nutzen davon hat nur noch der Pannendienst. Lohnt sich solch eine End-­Rally? Aufgabe muss es sein, gut gerüstet und ohne Fremdhilfe durchs Ziel zu laufen.

Auf die Frage, wie alt der Mensch früher wurde, antwortete Prof. Dr. Johannes Fried in einem ZDF-Interview: Die Menschen von damals konnten so alt werden, wie wir heute. Doch war die Klippe der Geburt, eine Sechsjahresgrenze und eine Zehnjahresgrenze zu überwinden. Die Kindersterblichkeit betrug etwa 50 Prozent. Das senkt das Durchschnittsalter auf etwas 30 Jahre. Frauen starben früher als Männer, oft in den Vierzigern.

Seneca, der selbst das stolze Alter von 95 Jahren erreichte, gab zu bedenken: Die Götter gaben uns ein langes Leben, aber wir haben es verkürzt. Die Erklärung zu dieser These lieferte er in seiner Schrift „Über den freiwilligen Tod“, in der er behauptete, dass der Weise nicht lebe, so lange er kann, sondern so lange die Pflicht es fordert und er daher nicht auf die Länge des Lebens, sondern auf dessen Beschaffenheit schaue. 

Qualität gehe vor Quantität. Das leuchtet jedem ein, aber sollte man, wenn diese Qualität nicht mehr gegeben ist, den Freitod wählen, um freimütig sein Leben zu verkürzen? 

Erstrebenswerter wäre natürlich Lebensqualität bis ins hohe Alter zu sichern, was der ewigen Suche nach dem Jungbrunnen gleichkommt. Ich halte es für besser, dort anzusetzen, wo es jedem möglich ist und wo es Sinn macht, anstatt ständig auf der Suche nach einer Illusion seine Zeit zu vergeuden. Zu unserem Leben gehört nun mal das Altern mit all seinen Facetten. Suizid ist nicht die Lösung. Altern ist ein gesellschaftlicher Prozess, der in unserer Gesellschaft einen entsprechenden Stellenwert verlangt. Wir müssen viel mehr Augenmerk auf die Belange der einzelnen Altersgruppen richten, wie sie besser symbiotisch verknüpft werden könnten, wie man sich gegenseitig nicht zur Last fällt, sondern von einander profitiert. Hierzu bedarf es einer Grenzsetzung, ab wann man als alt gilt. Ist man heutzutage im Alter von 67 Jahren biologisch gesehen jünger als noch vor wenigen Jahren? Rechtfertigt dies einen späteren Renteneintritt? Wie sahen das unsere Vorfahren?

Wann ist alt ‚alt’?

Solon, Athens erster großer Staatsmann, unterteilte die Lebensdauer in Zyklen zu je sieben Jahren (Hebdomaden). Die durchschnittliche Lebenserwartung legte er auf zehn Jahrsiebente fest. Das Altern begann nach seiner Auffassung mit dem Anfang des neunten Jahrsiebent, also mit 56 Jahren.  

Ähnlich dieser Beobachtung ist im Psalm 90,10 zu lesen: Die Fülle unserer Jahre ist 70, bei guter Kraft auch 80. Dies entsprach einer weit verbreiteten Meinung in der Antike. 

Die Schwelle zum Alter lag hier bei sechzig Jahren, wovon das lateinische Wort ‚Senat’ kündet, in den ursprünglich nur die über 60-Jährigen gelangten. Das absolute Maximum an Lebensdauer vermutete Tacitus bei 120 Jahren. 

Das Hauptproblem lag in der Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit. Antike Zeugnisse bekunden, dass diejenigen, die diese Hürde überlebten mit einer normalen Lebensdauer rechnen konnten.

Im alten Rom belegen zahlreiche Gesetzestexte, dass römische Kaiser den Prototypen eines Rentners geschaffen hatten. Mit 60 oder 70 Jahren konnte der öffentliche Dienst beendet werden. Der römische Jurist Ulpian (3. Jh. n. Chr.) beschreibt in seiner Lebenserwartungstabelle ein Höchstalter von 67 Jahren. 

Ähnlich Solon unterschied der Römer Marcus Terentius Varro (1. Jh. v. Chr.) fünf Lebensphasen: Kindheit, bis zum 15. Lebensjahr, Jünglingsalter bis zum 30. Lebensalter, reifes Mannesalter bis zum 45. Lebensjahr, älteres Mannesalter bis zum 60. Lebensjahr und das Greisenalter ab dem 60. Lebensjahr. 

In Sparta schied der Spartaner mit dem 60. Lebensjahr als geachteter Mann aus dem aktiven Wehrverband aus. 

Heute schickt man einen Bundeswehroffizier schon mit 54 Jahren bei vollen Pensionsbezügen in den Ruhestand, was den Schluss zulässt, dass die Soldaten der Antike trotz oder gerade wegen ihres körperlichen Kampfeinsatzes fitter als der heutige Soldat waren. 

Politisch bemerkenswert scheint mir die Einstellung der Athener zu den Ruheständlern. Aristoteles spricht den Ruheständlern das uneingeschränkte Bürgerrecht ab, da diese von den Bürgerpflichten befreit seien. Perikles deklassiert die über 60-Jährigen, die weder zeugungs- noch wehrfähig sind, als unnütz. So entschieden in der Politik nur die aktiven, die am Bruttosozialprodukt mitwirkten – eine rein pragmatische, aber recht unsoziale Einstellung im sonst so kulturell und geistig hochstehenden Athen. 

Ganz anders dachten die Römer über den alten Menschen. In Ciceros Lobrede über das Alter („de senectute“) kann man nachlesen, wie der alte Mensch wegen seiner Verdienste um Staat und Familie geachtet wurde.

In den darauf folgenden Jahrhunderten hat sich in der Einteilung nach Altersgruppen nicht viel geändert. Autoren, wie der heilige Augustinus, Isidor von Sevilla oder Vincent de Beauvais teilten das Leben nach dem Vorbild der Planeten in sechs oder sieben Altersstufen ein. Dante übernahm von Hippokrates und Avicenna die Unterteilung in vier Lebensabschnitte, die den Jahreszeiten entsprechen: Die Jugend umfasst den Zeitraum von der Geburt bis zum 25. Lebensjahr. Daran schließt das Erwachsenenalter an, das mit dem 25. Lebensjahr beginnt und mit 45 Jahren endet, gefolgt vom ‚Alter’, das mit 70 Jahren endet und in das Greisenalter übergeht. Die Alten und Greise führten nie zu gesellschaftlichen  Problemen, denn ihr Anteil in der Gesellschaft blieb zu Zeiten Dantes prozentual gleich denen der vorherigen Jahrhunderte. Während zu Solons Zeit der Anteil alter Menschen 5 Prozent nicht überstieg, zeugen Zahlen aus Florenz  des 14. und 15. Jahrhunderts von einem Anteil der über 60-Jährigen zwischen 6 und 15 Prozent.

Unsere Generation zu Beginn des 21. Jahrhunderts muss sich jedoch darauf einstellen, es spätestens im Jahr 2050 mit einem Altenanteil von etwa 50 Prozent zu tun zu haben. Die Auswirkungen, die daraus entstehen, bedürfen grundlegender Strukturänderungen. Es dreht sich nicht nur um das gesundheitliche Befinden eines Ruheständlers, sondern darum, was er den Staat kostet. Und das, obwohl heute ein sportlicher Sechziger, in Jeans und T-Shirt gekleidet, keineswegs den Eindruck eines Greises erweckt. Wenn vor 40 Jahren ein Sechzigjähriger noch als ‚Opi’ galt und sein Muttchen als ‚Omi’, so hat sich dieses Bild stark gewandelt. Altherrenhosen, biedere Kostüme und dicke Brillengläser in wuchtigen Kassengestellen sind passé, sie mussten einer lockeren und adretten Mode weichen – zum Glück, wie ich finde. Eine zusätzliche Beobachtung kann man heutzutage machen: Während man noch vor 40 Jahren glaubte, die betagte Generation erst entstauben zu müssen, so muss man sie heute zusehends bremsen, denn: Je älter desto doller. 

Gleich wie sich jeder im dritten oder vierten Frühling auch fühlen mag, er ist und bleibt ein Ruhegeldempfänger, der seinen Lebensstil versorgt sehen will. Da sich mit zunehmendem Alter dummerweise auch die Wehwehchen und Krankheiten häufen, werden die Kosten für ein Heer von Rentnern mit steigenden Altersbezügen sowie Kranken- und Pflegekosten kaum bezahlbar sein. Welcher Staat kann sich das leisten? 

Es muss dafür Sorge getragen werden, dass genügend Beitragszahler nachwachsen, sprich die Geburtenrate wieder steigt. Die geringe Neugeborenenrate und eine Arbeitslosenquote von 5 Millionen bei einer Bevölkerung von 83 Millionen stellen die dringlichsten Aufgaben für die nahe Zukunft dar. Gleichzeitig muss der Trend dahin gehen, länger gesund zu bleiben und weniger Kosten zu verursachen. Jeder sollte sich daher selbst mehr in die Pflicht nehmen und die eigene Gesundheit zielgerichteter fördern. Gesund alt werden, wäre eine feine Sache – den Lebensabend dement im Rollstuhl zu verbringen weniger. Wer möchte schon alt und ungeliebt dahinvegetieren? Wenn wir uns ein höheres Alter mit mehr Senilität als Begleiterscheinung erkaufen müssen, dann stellt sich die Frage, ob es das wert ist? Geht nicht auch hier Qualität vor Quantität? Wo liegt die Grenze für ein Alter, das noch lebenswert ist? 

Wie besingt die Gruppe ‚Alphaville’ dieses Problem doch so treffend im Lied „Forever Young“: Lasst uns jung sterben oder für ewig leben, wir haben nicht die Kraft, aber wir sagen niemals nie. Willst du wirklich für immer leben, für immer jung sein? Es ist so schwer, grundlos alt zu werden. Ich will nicht krepieren wie ein schwindsüchtiges Pferd. Jugend gleicht den Diamanten in der Sonne und die Sonne und die Diamanten sind ewig. 

Für viele scheint es schwierig zu sein, mit Würde alt zu werden, nur die wenigsten verkraften ihr Altern. 

Ähnlich sieht das auch Goethe: Keine Lust ist’s, alt zu werden, es ist Kunst, es zu ertragen. Deshalb rät der Dichter: Lerne alt zu werden mit einem jungen Herzen.

Für das Alter will vorgesorgt sein, nicht nur finanziell, sondern vor allem geistig. Um optimaler planen zu können, müssen der Staat und jeder einzelne wissen, wie sich die Lebenserwartung entwickelt.

Die durchschnittliche Lebenserwartung

In China pflegte man um 1100 v. Chr. die Kultur des ‚shou’, was soviel bedeutet wie ‚langes Leben’ und einer bestimmten Lebenseinstellung zugrunde lag. Im „Zhuangzi“ steht zu lesen: Was den Mensch betrifft, so gibt es erhabene Langlebigkeit, die 100 Jahre beträgt, mittlere Langlebigkeit, die 80 Jahre beträgt, und niedere Langlebigkeit, die 60 Jahre beträgt. An anderer Stelle heißt es weiterführend: Nur wenn man die moralische Selbsterziehung konsequent und gewissenhaft verfolgt, kann man ein hohes Alter erreichen.

Konfuzius sagte: Wer auf die Kenntnisse der äußeren Dinge aus ist, findet Vergnügen; wem es aber um sittliche Vollkommenheit geht, der hat ein langes Leben.

Das war damals, doch heute ist heute – hic Rhodos hic salta. Wie sieht es heute mit unserer Lebenserwartung aus? In Fachzeitschriften und Veröffentlichungen wird immer wieder von der durchschnittlichen und der ferneren Lebenserwartung gesprochen, was ist jedoch damit gemeint?

Die ‚durchschnittliche Lebenserwartung’ bezeichnet die Lebenserwartung von der Geburt an. Diese Unterscheidung zur ‚ferneren Lebenserwartung’ ist wichtig, weil die erste Hürde die Geburt ist, an die sich die ersten zehn Lebensjahre anschießen. Das statistische Bundesamt rechnet damit, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern die heutzutage bei 75,4 Jahren liegt im Jahr 2050 auf 81,1 Jahre steigt. Bei Frauen, die heute durchschnittlich 81,2 Jahre alt werden, erhöht sich die Lebensspanne auf 86,6 Jahre. 

Der Altersexperte James Vaupel, Direktor am Max–Plank–Institut für demographische Forschung in Rostock, hält für das Jahr 2050 sogar eine mittlere Lebenserwartung von 90 Jahren für möglich. Wenn er von einem mittleren Wert spricht, so sind Spitzenwerte von 120 Jahren denkbar. 

In Kuba ist das bereits heute keine Seltenheit; dort starb im Oktober 2006 Benito Martinez Apogan im Alter von 126 Jahren. Er war der älteste einer Gruppe von über 2.000 Kubanern, die heute über 100 Jahre alt sind. Knapp hinter den betagten Kubanern liegt Japan, wo laut einer Studie der Kölner Universität die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen um 99 Jahre liegt, bei Männern bei 91 Jahren. 

Das Population Reference Bureau in Washington gab 2005 eine davon abweichende Liste der durchschnittlichen Lebenserwartung heraus.

Durchschnittliche Lebenserwartung
Rang Land Ø Alter
1 Japan 82
2 Island 81
3 Schweden 81
4 Australien 80
5 Kanada 80
6 Frankreich 80
7 Italien 80
8 Norwegen 80
9 Spanien 80
10 Schweiz 80

Die fernere Lebenserwartung

Mit der ‚ferneren Lebenserwartung’ bezeichnet man die Lebensjahre, die eine sechzigjährige Person noch zu erwarten hat. Die folgende Tabelle zeigt dies für Deutschland in den Jahren 1901 bis 2050 im Vergleich. Beispiel: Eine Frau, die 1901 ein Alter von 60 Jahren erreichte, hatte damals noch eine weitere Lebenserwartung von durchschnittlich 14,2 Jahren.  

Fernere Lebenserwartung
Zeitpunkt, in dem die Person  60 Jahre alt wurde Männer Frauen
1901 bis 1910 13,1 14,2
1932 bis 1934 15,1 16,1
1949 bis 1951 16,2 17,5
1960 bis 1962 15,5 18,5
1970 bis 1972 15,3 19,1
1980 bis 1982 16,5 20,8
1991 bis 1993 17,8 22,1
1996 bis 1998 18,7 23,1
1998 bis 2000 19,2 23,5
2035   voraussichtlich 22,7 27,1
2050   voraussichtlich 23,7 28,2

Im vergangenen Jahrhundert ist die fernere Lebenserwartung in Deutschland kontinuierlich gestiegen. Da in unserer Gesellschaft jeder alt werden, aber keiner alt sein will, scheint es als  angebracht, sich der Frage zu widmen, wodurch der Mensch altert? Das soziale Umfeld als Wegbereiter für ein kurzes oder langes Leben wurde als erster Faktor bereits angesprochen.

Warum altert der Organismus?

Aus Studien an Tieren ist bekannt, dass der Lebensstil einen enormen Effekt auf die Lebenserwartung hat. So werden Mäuse, die auf eine kalorienarme Diät gesetzt sind, bis zu 40 Prozent älter als Artgenossen, die sich uneingeschränkt ernähren. Fruchtfliegen, die im Kühlschrank gehalten werden, können sechsmal älter werden wie jene in freier Natur. Katzen und Hunde leben länger, wenn man sie kastriert. Aber wer möchte schon kastriert im Kühlschrank hungern? 

In der Antike wurde das Alter und das Altern medizinisch folgendermaßen gedeutet: Hippokrates behauptet, der Alterungsprozess sei durch eine zunehmende Abkühlung des Blutes bedingt. In seiner koischen Schule ging man davon aus, dass der menschliche Körper vier Säfte in sich beherberge: Blut, Schleim (Phlegma), gelbe und schwarze Galle. Wir kennen das Sprichwort: Mir kommt die Galle hoch – ein Ausdruck von Wut und Ablehnung. Die Lehre beinhaltet, dass zu jeder Jahreszeit, an jedem Ort und in jedem Lebensalter die vier Säfte in einem jeweils anderen Mischungsverhältnis vorhanden seien. Das Verschwinden eines der vier Säfte bedeute den Tod und jede qualitative und quantitative Veränderung des Mischungsverhältnisses verursache Schmerzen und Krankheiten. Die Säfte selbst standen sowohl für das Lebensalter als auch für die Jahreszeiten. 

Blut war der Kindheit und dem Frühling zugeordnet, die gelbe Galle bedeutete Jugend und Sommer, die schwarze Galle bezeichnete die Blüte des Lebens und den Herbst, während der Schleim (Phlegma) mit dem alten Menschen und dem Winter gleichgesetzt wurde. Aus dieser Vorstellung heraus leiteten die Hippokratiker spezifische Alterserscheinungen und Krankheiten ab. Zum Beispiel erschien ihnen das häufige Auftreten von Bronchialerkrankungen und Schnupfen mit der altersbedingten Schleimbildung in Verbindung zu stehen. Heute verschwendet man über solche Abhängigkeiten keinen Gedanken, man schluckt einfach schleimlösende Arzneien. 

Wir sehen uns einer guten Beobachtungsgabe beraubt und überlassen weiteres Nachdenken so genanten Spezialisten mit ihrer Schubladendiagnostik. Der Mensch wird systematisiert, organisiert, eingeteilt und katalogisiert. Auf den eigenen Körper, den Bauch hört kaum noch jemand. Wozu auch, wenn es Fachleute gibt, die alles besser wissen? Oder sollten wir gerade deswegen wieder vermehrt auf eigene Signale achten? 

Mit Hilfe der Säfte-Lehre entwickelte der römische Arzt Galen die Geriatrie zu einem wesentlichen Teil seiner Heilkunst. Seele und Körper waren für Galen untrennbar und er sah es als erwiesen an, dass Alterserscheinungen wie Vergesslichkeit, Halluzinationen und Geschwätzigkeit auf ein Ungleichgewicht in den Säften zurückzuführen seien. Das Alter selbst sei aber keine Krankheit, sondern ein Mangel an Vollkommenheit.

Was alle Menschen Alter nennen, so Galen, ist die kalte und trockene Säftemischung im Körper, die als Folge der langen Reihe von Jahren entsteht. Wärme und Feuchtigkeit müssen also zugeführt werden, und zwar durch Nahrung, Massagen und Gymnastik. Alte Menschen benötigen viel mehr Wärme als jüngere, weil sie sich einerseits weniger bewegen und andererseits weniger Energiereserven zulegen können. 

Galens Theorie war jedoch medizinisch umstritten, da sie der Behandlungsmethode des Hippokrates zu widersprechen schien. Die bestehende Meinung vieler Ärzte ging davon aus, dass das Alter mit einem Zuviel an Schleim einherginge und der Körper eher ‚trockengelegt’ werden müsse. Genau jene Mediziner übersahen dabei aber, zwischen der Trockenheit der Haut und überschüssiger Magenflüssigkeit sowie bronchialer Schleimabsonderungen zu unterscheiden. Ältere Menschen trocknen unter anderem deshalb eher aus, weil deren Schleimbildung erhöht ist.  

Platon definiert das Altern ebenfalls als eine Art Austrocknung, durch mangelnde Zufuhr der Grundstoffe des Organismus bedingt. 

Aristoteles, der Schüler Platons, lehrt zusätzlich die mangelnde Erwärmung im Alter. Heute gilt die Definition: Der Alterungsprozess ist im biologischen Bereich durch rückbildende Vorgänge, individueller Ausprägung bestimmt.

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