Paleo Diät – Essen wie in der Steinzeit

Bewerte diesen Artikel

Paleo Diät – Speiseplan aus der Urzeit

Keine Frage, bekennenden Veganern oder Vegetariern begegnet man weitaus häufiger als Verfechtern der Paleo-Ernährung. Doch die “Paleo Diät” – oft auch “Paläo Diät” geschrieben – verzeichnet schon seit 1985 einen Aufwärtstrend, nachdem der amerikanische Radiologe S.Boyd Eaton und der Anthropologe Melvin Konner erstmals diese Ernährungsweise in einem Fachmagazin propagiert hatten. Ihr Credo: Wer so isst wie in der Steinzeit, kann Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Krebs oder gar Alzheimer vermeiden.

 

 

Die Theorie hinter dieser Ernährungsphilosophie klingt für viele Anhänger durchaus überzeugend: Da sich unser genetischer Bauplan seit etwa 40 000 Jahren kaum verändert habe, sollen unsere Gene noch auf altsteinzeitliche Nahrung programmiert sein. Der menschliche Organismus habe nicht genügend Zeit gehabt, um sich an unsere moderne Kost anzupassen, die überwiegend aus Getreide und Milchprodukten besteht. Die Verfechter der Paleo-Diät sehen darin auch den Grund für die Laktoseintoleranz, unter der viele Menschen heutzutage leiden.

 

Paleo

 

Kritiker kontern, dass es für diese Behauptungen keinen wissenschaftlichen Beleg gebe. Der Mensch habe sich in Tausenden von Jahren auf seine jeweilige Umgebung eingestellt und damit auch unterschiedlichste Nahrungsquellen für sich erschlossen. Der Körper sei durchaus in der Lage, diese auch zu verwerten. Ernährungsfachleute bezweifeln darüber hinaus, dass Zivilisationskrankheiten auf den Verzehr von Milch und Getreide zurückzuführen sind. Eher sei ein allgemein ungesunder Lebensstil und Überernährung schuld an der Misere.

Was ist die Paleo-Diät?

 

Paleo-Diät ist zunächst ein etwas missverständlicher Ausdruck, der auf eine Fehlinterpretation des englischen Begriffs “paleo diet” zurückzuführen ist. Mit “diet” war allerdings in diesem Zusammenhang nicht die Schlankheitskur gemeint, sondern die Ernährungsform schlechthin.

 



 

Paleo bzw. paläo leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie “alt” oder “urzeitlich”. Archäologen sprechen vom Paläolithikum – zusammengesetzt aus paläos (alt) und lithos (Stein). Gemeint ist also die Altsteinzeit, die früheste und längste Epoche in der Geschichte der Menschheit. Sie begann vor rund 2,5 Millionen Jahren und endete etwa 10.000 v. Chr. mit dem Ende der letzten Eiszeit. Die Menschen zogen als Nomaden umher. Für Ackerbau und Viehzucht war die Zeit noch nicht reif. Sie lebten in Höhlen oder Hütten, hatten gelernt, Feuer zu machen und Werkzeuge aus Stein herzustellen. Und sie ernährten sich von dem, was die Natur ihnen zu bieten hatte. Was das im Einzelnen gewesen sein mag, darüber gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Schließlich war die Nahrung des Steinzeitmenschen abhängig von der jeweiligen Region.

 

Man kann aber davon ausgehen, dass auf dem Speiseplan des Urzeitmenschen Beeren, Pilze, Nüsse, Eier, Obst, wilder Honig und wildes Gemüse standen, vielleicht sogar Insekten. Auf jeden Fall konsumierte er Fisch und Wildfleisch, denn sie liefern viel mehr Energie als pflanzliche Nahrung. Unsere steinzeitlichen Altvorderen gingen – mit Pfeil und Bogen bewaffnet – auf Jagd. Dabei waren sie nicht wählerisch. Vertilgt wurde das ganze Tier, inklusive der Innereien. Fett und Proteine machten den größten Anteil ihrer Nahrung aus.

Was darf man bei der Paleo-Diät essen?

 

Wer nicht selbst auf die Pirsch gehen will, sich aber “paleo” ernähren will, sollte sich möglichst natürliche Kost einverleiben. Als Faustregel gilt: Alles, was schon der Steinzeitmensch an Essbarem erjagen oder sammeln konnte, darf gegessen werden.

Paleo

 

Erlaubt ist:

  • Fleisch (möglichst Wild und Geflügel)
  • Fisch
  • Gemüse
  • Früchte (vorzugsweise Beeren)
  • Nüsse
  • Eier
  • Honig
  • natürliche Fette wie Schmalz, Kokos- oder Olivenöl

 

Tabu sind:

  • Milchprodukte
  • Getreide (kein Brot, keine Nudeln…)
  • Reis
  • Hülsenfrüchte
  • Zucker und Zuckerersatzsstoffe
  • pflanzliche Fette
  • Alkohol und Kaffee
  • Fast food

 

So sehen zumindest die “offiziellen” Leitlinien zur Steinzeitküche aus. Ganz einig sind sich die Vertreter dieser Ernährungsrichtung jedoch nicht. Einige weniger radikale Verfechter lassen auch Milchprodukte, Kartoffeln, Reis, Hirse, Erbsen und Linsen zu, wenn auch nur selten und in kleinen Mengen.

 

Morgens Obst, mittags ein Steak mit Gemüse, abends Fisch mit Salat – so könnte ein idealer Paleo-Tag aussehen. Es versteht sich von selbst, dass Obst und Gemüse aus biologischem Anbau kommen sollten. Getrunken werden übrigens nur Wasser oder Kräutertees. Fans der Paleo Diät plädieren außerdem für reichlich Bewegung; schließlich hatte der Steinzeitmensch kein Auto, sondern war tagtäglich etliche Kilometer zu Fuß unterwegs.

Kein Trend für die Masse

 

Wenig Kohlenhydrate, keine Süßigkeiten, viel Bewegung – das macht sich am Hosenbund bemerkbar. Wer sich steinzeitlich ernährt, verliert an Gewicht. Für viele Menschen ist dies der Grund, es überhaupt mit der Paleo-Kost zu versuchen. Manche bleiben dabei. Denn für viele ist diese Ernährungsweise keine Diät, sondern ein Lifestyle. Paleo-Köche in teuren Restaurants lassen sich kreative Gerichte einfallen, von denen eine Steinzeitfrau und ihr Gatte nicht einmal zu träumen wagten: Spargel-Garnelen-Pfanne, Cappucino aus Mandelmilch, Kochbananen Curry mit Seehecht…

 



 

Die paläolithische Ernährungsweise ist jedoch kein Trend, der ähnlich viele Menschen ansprechen wird wie der Vegetarismus oder der Veganismus. Dafür sorgen schon die Kosten. Die Steinzeitdiät ist nichts für schmale Geldbeutel. Denn hochwertiges Fleisch, zumal Wild, ist bei dieser Ernährung kein Kann, sondern ein Muss.

Wie gesund ist die Steinzeitdiät?

 

Anhänger der Steinzeitdiät behaupten, dass sie sich deutlich fitter fühlen als früher. Der Umstieg fällt allerdings vielen Zeitgenossen nicht ganz leicht. Kein Brot, keine Pasta – daran muss sich der Körper erst gewöhnen. In der Anfangsphase haben manche das Gefühl, ein “Loch im Bauch” zu haben.

 

Ernährungsfachleute werden nicht müde, uns zu predigen, mehr Obst und Gemüse zu essen. Wer Paleo isst, tut das. Und natürlich begrüßen die ÖkotrophologInnen auch den Verzicht auf Süßigkeiten und Alkohol. Kritisch sehen sie allerdings die völlige Abkehr von Milchprodukten und damit von einer wichtigen Kalzium- und Jodquelle. Auch Getreideprodukte und Hülsenfrüchte gehören ihrer Ansicht nach zu einer ausgewogenen Ernährung. Sie liefern Ballaststoffe, B-Vitamine und Proteine. Für absolut bedenklich halten GesundheitsexpertInnen aber den hohen Fleischkonsum, und das nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen. Die Anhänger der Paleo-Kost bevorzugen Fisch aus Wildfang. Tierische Erzeugnisse aus Massentierhaltung passen ebenfalls nicht in das steinzeitliche Konzept. Das Fleisch sollte aus freier Wildbahn stammen oder zumindest Bio-Qualität haben. Würde sich ein Großteil der Menschen paläolithisch ernähren, wäre die Umsetzung dieser Idee absolut unrealistisch.

Widersprüchliche Studien

 

Doch vor allem der gesundheitliche Aspekt des hohen Fleischkonsums im Rahmen der Paleo-Kost missfällt den Ernährungsfachleuten. Denn zu viel Fleisch lässt die Harnsäure ansteigen, und das kann u.a. zu Gicht und Nierensteinen führen. Zudem lassen Untersuchungen darauf schließen, dass Menschen, die mehr als einmal in der Woche rotes Fleisch zu sich nehmen, ein erhöhtes Darmkrebsrisiko haben. Im Gegenzug kann kohlenhydratarme und eiweißreiche Nahrung den Blutdruck senken. Positiv scheint sich die Diät auch auf Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 auszuwirken – vor allem in Verbindung mit körperlicher Aktivität. Allerdings beruht diese Erkenntnis auf einer kleinen Studie, die über einen Zeitraum von lediglich zwölf Wochen durchgeführt wurde.

 

Die jüngste Studie zur Paleo-Diät wurde von einer australischen Forschergruppe unter Angela Genoni an der Edith Cowan University in Perth durchgeführt. Die WissenschaftlerInnen fanden heraus, dass die Paleo-Ernährung langfristig die Darmflora schädigt. An den Gefäßen entstehen Ablagerungen, die gefürchtete Atherosklerose, jene Form der Arteriosklerose, die als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall gilt. Auslöser ist der hohe Anteil an fleischlicher Nahrung. Das darin enthaltene Cholin und Carnitin wird von den Mikroorganismen im Darm zu Trimethylamin umgewandelt. Es handelt sich um einen Zersetzungsprozess, der auch in verdorbenen Lebensmittel nachzuweisen ist.

 



 

Über die Darmschleimhaut gelangt das Trimethylamin in die Leber. Dort wird es erneut umgewandelt – in Trimethylaminoxid (TMAO). Und genau diese Substanz fördert Atherosklerose. Im Blut vieler Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen lässt sich ein erhöhter TMAO-Wert nachweisen. Die TeilnehmerInnen der australischen Studie, die sich streng an die Paleo Diät hielten, hatten einen doppelt so hohen TMAO-Wert wie die Kontrollgruppe, die sich an keine Diät hielt. Jene Frauen und Männer, die sich “Paleo light” ernährten, also in geringen Mengen auch die eigentlich “verbotenen” Lebensmittel zu sich nahmen, wiesen einen mittleren TMAO-Wert auf.

 

Die bisher gewonnenen Erkenntnisse lassen vermuten, dass sich die Paleo-Diät negativ auf die Gesundheit auswirken könnte, sofern sich Menschen langfristig steinzeitlich ernähren. Gesicherte Ergebnisse können die Forscherinnen und Forscher jedoch erst in einigen Jahren auf den Tisch legen.

Paleo für Kinder?

 

Eingefleischte Paleo-Fans sind davon überzeugt, dass schon Kinder von Anfang an paläolitisch ernährt werden können. Dazu gehört, das Baby möglichst lange zu stillen und die Säuglingsnahrung selbst zuzubereiten. Älteren Kindern dürfte die Umstellung auf steinzeitliche Kost unter Verzicht auf Nudeln, Brot und Milch erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Besser ist es, in kleinen Schritten vorzugehen.

 

ÖkotrophologInnen halten die Paleo-Diät für Kinder allerdings nicht geeignet, und das nicht nur, weil Milch als wichtigster Kalzium-Lieferant wegfällt. Um diesen Mangel auszugleichen, müssten Kinder große Mengen an Gemüse wie Fenchel oder Brokkoli vertilgen, was bekanntlich nicht die Leibspeise der lieben Kleinen ist. Bleibt die Frage, wie der Nachwuchs satt werden soll – so ganz ohne Getreideprodukte wie Nudeln und Brot. Immerhin liefern sie die meisten Kohlenhydrate.

 

 

Fazit

 

Eigentlich steckt hinter der Paleo-Bewegung die Idee, sich dauerhaft nach Art der Steinzeitmenschen zu ernähren. Da die langfristigen Auswirkungen der Paleo-Kost auf die Gesundheit aber noch nicht ausreichend erforscht sind, ist es ratsam, sie tatsächlich nur als vorübergehende Diät durchzuführen. Für Leute, die schlank und fit werden wollen, kann die Steinzeitkost eine lohnenswerte Alternative zu anderen Reduktionskuren sein. Auch Menschen mit Gluten- und Laktoseunverträglichkeit, die ohnehin kaum Getreide und Milch konsumieren dürfen, können von dieser Ernährungsform profitieren.ErnährungswissenschaftlerInnen plädieren für eine vollwertige, gesunde und bewusste Ernährung sowie für ausreichend Bewegung. Einseitige Nahrungszufuhr kann zu Mangelerscheinungen führen. Im Rahmen einer Paläo-Diät muss daher unbedingt auf eine ausreichende Kalziumaufnahme geachtet werden. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Menschen mit einem höheren Osteoporoserisiko, beispielsweise Frauen in und nach den Wechseljahren.

Quellen:
https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/diaeten-fasten/paleo/
https://www.sciencedaily.com/releases/2019/07/190722105935.htm
×