Schlehen – unbeachtetes Superfood
Schlehen?
Dieses stachelige Zeug? Und dann der Geschmack. Das zieht einem doch die Socken aus. Nein also wirklich nicht. Dann doch lieber Aloe Vera Saft für 18 Euro je Liter oder Aronia-Muttersaft, die 3 Liter zu 21 bis 30 Euro. Vielleicht auch auf dem Netzwerk-Markt eine Mischung aus Aronia-Saft mit zusätzlichen Vitaminen, 750 ml für schlappe 65 Euro, wofür kein Muttersaft benötigt wird.
Was ist eigentlich „Muttersaft“? Gibt es auch „Vatersaft“?
Naja, Muttersaft klingt so gesund, so natürlich, so ursprünglich. Gemeint ist aber Direktsaft, ein Begriff der weniger werbewirksam ist.
Beim Direktsaft wird die Frucht gepresst, filtriert, stabilisiert und abgefüllt. Frisch gepresste Direktsäfte werden häufig bereits im Herkunftsland einer thermischen Pasteurisation unterzogen, um die Transportstabilität zu gewährleisten. Alternativ werden besonders die Hochdruckbehandlung (HPP, high pressure processing) und die Behandlung mit gepulsten elektrischen Feldern (PEF, pulsed electric fields) zur Haltbarmachung eingesetzt.
Auch ist es ein Unterschied, ob es sich um eine erste Kalt-Pressung handelt oder um Nachpressungen mit erhöhtem Druck und damit mit höherer Wärmeentwicklung. Letztere dürften nicht mehr als Direktsäfte auf den Markt gebracht werden. Leider werden sie derzeit dennoch zum gleichen Preis wie schonend verarbeitete, qualitativ hochwertigere Direktsäfte vertrieben. Vor allem hüten Sie sich vor Angeboten im Network-Marketing, dort zahlen Sie nämlich für das Pyramidensystem und weniger für das Produkt selbst.
Doch das nur nebenbei. Uns geht es darum, warum man immer in die Ferne schweifen und teure Säfte kaufen muss, wenn das Gute wächst so nah?
Schlehen und die vermeintlichen Superfoods
Alle reden von Aronia, bzw. Apfelbeere und Acai, die brasilianische Wunderbeere. Ein sogenanntes Superfood. Superfood, das ist wieder das Schlagwort, das keine Widerworte duldet. Und natürlich wird ein Superfood zu super Preisen verkauft, wie könnte es anders sein, denn das einzige was zählt, ist doch der Gewinn. Die Gesundheitsbranche ist ständig auf der Suche nach einem neuen Hype, der alte „Schinken“ ablöst und wieder Geld in die Kassen spült.
So wird uns ständig etwas vorgegaukelt, uns werden Dinge angedreht, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Ein Phänomen, das jede Branche betrifft. Wozu brauchen wir Aronia, Acai und Goji-Beeren, wenn wir Hagebutten, Schwarze Johnnisbeeren und die hier beschriebenen Schlehen (Schwarzdorn) haben? Ok, was will man mit denen schon verdienen? Eben!
Dabei beinhalten Schlehenfrüchte z. B. bis zu dreimal soviel Anthocyane als die Aroniabeeren. Auch der Vitamin C-Gehalt liegt höher. Bei Blättern sogar um ein Vielfaches. Allerdings macht die adstringierende Eigenschaft der Schlehenfrüchte und ihr herber Geschmack sie nicht gerade zu einer Leckerei. Wenn man sie jedoch im Winter nach ein paar Frosttagen pflückt, schmecken sie angenehmer und das leicht gequollene Pektin mildert die Gerbstoffe spürbar.
Vor allem lassen sich Schlehenfrüchte hervorragend zu Saft, Marmelade oder Gelee verarbeiten, auch zu Wein, Likör und Schnaps. Einige Früchte über mehrere Wochen in Vodka eingelegt, verleihen dem Schnaps eine besonders ansprechende, leicht herbe Note. Ich will hier aber nicht auf Rezepte eingehen, dazu findet man im Internet reichlich Anregungen.
Es ist schade, dass die Schlehe so in Vergessenheit geraten ist, einerseits weil sie früher ein Armeleutessen war und andererseits wegen ihrem bitter-herben Geschmack. Dabei führt die Geschichte der Schlehe weit zurück in die Vergangenheit. Bereits die Bewohner neolithischer Pfahlbauten verwendeten die Früchte des stacheligen Strauches, wie Funde belegen. Und Ötzi hatte anscheinend bei seiner letzten Wanderung über die Alpen neben dem Birkenporling (wir berichteten https://fachportal-gesundheit.de/der-birkenporling/ ) auch getrocknete Schlehenfrüchte dabei.
Und vergessen wir nicht, was wir der Schlehe zu verdanken haben, denn in der Antike kreuzten die Perser die Schlehe mit der dort heimischen Kirschpflaume (Phinus cerasifera), woraus die uns heute bekannte Pflaume entstand.
Viele Seiten im Internet befassen sich mit dem Schwarzdorn und beschreiben die heilsame Wirkung der Schlehenblätter und ihrer Früchte. Doch zeigt sich schnell, dass meist nur einer vom anderen abschreibt, wie die Angabe der Inhaltsstoffe zeigt. Keiner nennt genaue Zahlen, wo doch gerade diese als Vergleich zum sogenannten „Superfood“ so wichtig sind.
Wir wollen diese Lücke schließen, mit Zahlen füllen und eine Bresche schlagen für die zahlreichen gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffe unserer heimischen Schlehe, auch Schwarzdorn genannt.
Inhaltsstoffe pro 100 g Schlehen-Früchte
Wasser 76,4 g
Energie 54 kcal
Flavonoide
2500 mg: überwiegend Anthocyane (Cyanidin 365 – 2154 mg), Quercetin und Kampferöl, aber auch Quercitrin, Rutin, Hyperosid (3-O-Galactosid von Quercetin) und Neochlorogensäure
Vitamine
Vitamin C 8 mg (im Blatt bis 200 mg)
Vitamin A 25 µg
Vitamin A Beta-Carotin 150 µg
Vitamin B1 50 µg
Vitamin B2 40 µg
Vitamin B3 (Niacin) 300 µg
Vitamin B5 (Pantothensäure) 100 µg
Vitamin B6 (Pyridoxin) 50 µg
Folsäure 10 µg
Biotin 2 µg
Vitamin E 500 µg
Vitamin K (Phyllochinon) 10 µg
Kohlenhydrate
ca. 12 g (Monosaccharide: Glucose 5,37g u. Fructose 5,37g + Disaccharide: Saccharose 0,9g)
Fett
ca. 1.000 mg (davon Palmitinsäure 44 mg / Stearinsäure 16 mg / Palmitoleinsäure 4 mg / Ölsäure 120 mg / Linolsäure 360 mg / Linolensäure 256 mg, Glycerin u. Lipoide 200 mg)
Ballaststoffe
ca. 9 g (Poly-Pentosen 1,3 g / Polyphenolen-Hexosen 0,9 g / Polyphenolen-Uronsäuren 2,25 g / Cellulose 1,8 g / Lignin 2,7 g)
Protein
Ca. 750 mg (davon in mg: Isoleucin 31 / Leucin 67 / Lysin 29 / Methionin 16 / Cystein 17 / Phenylalanin 46 / Tyrosin 58 / Threonin 31 / Tryptophan 15 / Valin 38 / Arginin 53 / Histidin 17 / Alanin 34 / Asparaginsäure 66 / Glutaminsäure 109 / Glycin 41 / Prolin 29 / Serin 36)
Mineralien
Kalium 250 mg
Calcium 20 mg
Magnesium 25 mg
Phosphor 20 mg
Schwefel 10 mg
Eisen 1,5 mg
Zink 200 µg
Kupfer 200 µg
Mangan 700 µg
Schlehen – Heilwirkung
Nur kurz will ich auf die Heilwirkung von Blüten, Blättern und Früchten eingehen, denn auch hierüber schreiben zahlreiche Seiten und die Inhaltsstoffe sprechen für sich selbst.
Die Blüten und Blätter erweisen sich als mild abführend (geeignet für Schwangere und Kinder), harntreibend, blutreinigend, magenstärkend, zusammenziehend, schweißtreibend.
Die Früchte regen den Stoffwechsel an, sind blutreinigend, harntreibend, appetitanregend, wirken adstringierend, und entzündungshemmend, lösen Hustenkrämpfe und zähen Schleim, stärken das Immun- wie auch das Herz-Kreislauf-System.
Nebenwirkungen sind keine bekannt.
Aber Achtung! Die Kerne enthalten Blausäure und sind nicht für den Verzehr geeignet.
Schlehenfrüchte gehören in jeden Strategieplan für autarkes Leben, denn sie sind für Mensch und Vögel auch im Winter eine wunderbare Vitaminquelle.