Borderline – Leben zwischen den Extremen
Borderline – Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (BPS)
Bei der Borderline-Störung (borderline: „Grenzlinie) handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmung, der Identität sowie zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist. Sie wird nach dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung eingeordnet.
Wie kommt es zu einer Borderline-Störung?
Die Ursprünge sind bis heute nur zum Teil geklärt. Man geht aber davon aus, dass es sich bei der Entwicklung um ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren handelt.
Psychosoziale Faktoren
Die Persönlichkeitsstörung kommt besonders häufig bei Frauen mit einer frühen Traumatisierung vor. Hier ist vor allem körperliche Gewalt, sexueller Missbrauch oder die Vernachlässigung durch eine Bezugsperson zu nennen. Aber auch das Fehlen einer zweiten Bezugsperson (Fehlen von Schutz und Geborgenheit; Betätigung von Wahrnehmungen und Gefühlen) kann ein Auslöser sein. Im Erwachsenenalter ist sehr oft das Erleben von Gewalt der Grund für die Erkrankung.
Die Borderline-Störung kann sich allerdings auch ohne Traumatisierung entwickeln.
Biologische Faktoren
Man geht davon aus das eine genetische Disposition zu Impulsivität und der Entwicklung affektiver Labilität bei fast allen Boderline-Erkrankten vorkommt. Durch bildgebende Verfahren konnte man Funktionsstörungen im frontalen Kortex (Amygdala und Hippokampus) nachweisen.
Hippokampus
Der Hippocampus ist ein evolutionär sehr altes Gebiet des Cortex. Im Hippocampus liegt das Ortsgedächtnis und für die Gedächtnisbildung von Bedeutung. Außerdem kommt dem Hippocampus, durch seine starken Verbindungen zur Amygdala, eine zusätzliche Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen zu. Sie formen zusammen ein emotionales Gedächtnis.
Das Problem ist nur, das so der Hippocampus auch anfälliger für starke emotionale Reize und Stressoren wird. Dies kann zu einer Verkleinerung den Hippocampus durch z.B. ein Trauma, Depressionen, Angst- und Essstörungen führen.
Amygdala
Amygdala kommt von dem griechischen Wort für Mandel. Aus diesem Grund wird sie oft auch Mandelkern genannt.
Sie spielt, wie schon erwähnt, eine wichtige Rolle in der Bildung von Emotionen (besonders Furcht und Angst) und speichert emotionale Erinnerungen (emotionales Gedächtnis) ab.
So ist unser Körper in der Lage emotionale Situationen (z.B. einen schweren Unfall) sein Leben lang nicht mehr vergessen. Es kann sogar so weit gehen, dass die Erinnerungen wieder wach und möglicherweise erneut körperliche Reaktionen auslösen, wenn man an den Ort des Unfalls zurückkehrt.
Familieneinflüsse
Durch eine Langzeitstudie fand man heraus, dass feindseliges Verhalten oder Streit unter Eltern die Wahrscheinlichkeit einer Borderline-Störung bei Kindern erhöhte.
Anhaltspunkte für eine mögliche „kulturelle Vererbung“ von BPS von Eltern auf Kinder wurden nicht gefunden.
Symptome einer Borderline-Störung
Die Betroffenen erleben sich in der Regel als Opfer ihrer eigenen heftigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen. Dies führt in den meisten Fällen zu einer extremen innerlichen Anspannung, die als unerträglich und peinigend erlebt wird.
Gestörte Affektregulation
Als Affektregulation bezeichnet man die Fähigkeit von Menschen, die durch die meist selbstkonfrontative Auseinandersetzung mit unangenehmen Erfahrungen ausgelösten negativen Emotionen dauerhaft zu regulieren.
Menschen dir unter BPS leiden besitzen in den meisten Fällen eine niedrigere Reizschwelle. Dadurch kommt es schnell zu emotionalen Reaktionen und das Abklingen dieser Gefühlsreaktionen ist ebenfalls verzögert. Allerdings ist dies nicht immer der Fall. Die extremen Stimmungen können auch von einem auf den nächsten Augenblick verschwinden sein oder als überwältigendes „Gefühlschaos“ auftreten.
Spannungszustände
Personen, die unter einer Borderline-Störung leiden haben Schwierigkeiten Gefühle wie z.B. Wut, Unzufriedenheit, Stolz oder Traurigkeit differenziert wahrzunehmen. Stattdessen empfinden sie eher eine quälende langanhaltende Spannung. Dies kommt besonders häufig an Stelle einer negativen Emotion vor.
Selbstverletzende Handlungen
Um die schon erwähnte Spannung zu regulieren neigen viele Betroffenen zu selbstverletzenden Handlungen. Dies kann z.B. durch Verbrennungen, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen oder Schnitte in der Haut vorkommen.
Weitere Verhaltensmuster zur Emotionsregulation
Um ihre Emotionen in den Griff zu bekommen, neigen viele der Borderline-Patienten zu Verhaltensmustern, um diese zu regulieren. Dazu gehören z.B.:
- Alkohol-, Medikamente- und Drogenkonsum
- Störungen des Essverhaltens
- Impulshaftes Einkaufen nutzloser Dinge
- Störungen im Sexualleben
- Zwangshandlungen
Diagnose von einer Borderlinestörung
Fast alle Symptome können auch bei einem gesunden Menschen auftreten. Aus diesem Grund kann man auch keine schnelle Diagnose stellen, sondern muss das Verhalten über einen längeren Zeitraum beobachten. Desweiterem ist ein persönliches Gespräch und eine klinische Befragung unumgänglich.
Häufig kommen die Betroffenen aufgrund von depressiven Verhalten, einer Drogen- oder Essproblematik oder durch selbstverletzende Handlungen selbständig in die Praxis. Die Diagnose Borderlinestörung wird dann dabei nicht selten in der weiterführenden Behandlung gestellt.
Wichtige diagnostische Punkte einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
Affektivität
- Schwierigkeiten Wut und Ärger zu kontrollieren, unangemessene Wutausbrüche
- Chronisches Gefühl der Leere
Impulsivität
- In mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z.B. Sexualität, Drogenmissbrauch, Rücksichtloses Fahren, Fressattacken, usw.)
Kognition
- Stressabhängige (vorübergehende) paranoide Vorstellungen
- Dissoziative Störungen
- Identitätsstörungen
Interpersoneller Bereich
- Verzweifeltes Bemühen, reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern
- Instabile und Intensive zwischenmenschliche Beziehungen
Borderline: Erste Anzeichen, die auf die Persönlichkeitsstörung hindeuten können
Auffallend sind besonders die extremen Stimmungsschwankungen. Diese treten in den meisten Fällen um das 20. Lebensjahr erstmals auf. Im Allgemeinen sind in der Psychologie neun markante Verhaltensweisen bekannt, die auf die Krankheit hindeuten können.
Dazu gehören:
- Bemühungen, nicht verlassen zu werden
- instabile, aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen
- Impulsivität in mindestens zwei selbstschädigenden Bereichen
- wiederkehrende suizidale Handlungen oder Selbstverletzung
- instabiles Gefühls- und Gemütsleben
- chronisches Gefühl von Leere
- Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren
- Identitätsstörung
- dissoziative Symptome oder paranoide Vorstellungen (z.B. Verfolgungswahn)
Das so genannte „Ritzen“ wird am häufigsten mit Borderline in Verbindung gebracht, führt aber nicht zwangsläufig zur Diagnose. Nur wenn mindestens fünf der aufgezählten Beschwerden in einem Zeitraum von vier Jahren aufgetreten sind, liegt eine solche Persönlichkeitsstörung sehr nahe.
Begleitende Erkrankungen
Depressionen
Die Depression bei BPS-Patienten ist typischerweise besonders durch Gefühle von innerer Leere, Einsamkeit, Verzweiflung und Schwierigkeiten in interpersonellen Beziehungen gekennzeichnet. Insbesondere die Suizidgefährdung ist zu beachten. Depressive Symptome der BPS-Patienten sind in der Regel kürzer andauernd und häufiger mit interpersonellen Situationen verbunden als bei depressiven Patienten ohne Persönlichkeitsstörung.
ADHS
Laut einer Studie sind ca. 20 % der Erwachsenen mit BPS auch von der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen. Obwohl sich BPS und ADHS in mehreren wichtigen Symptomen gleichen, sollte man die Krankheitsbilder strikt trennen. Auch wenn die beiden Krankheiten gemeinsam in einer Person auftreten. So zeigten sich bezüglich der bei beiden vorkommenden mangelnden Impulskontrolle, andere Abweichungen in den Gehirnfunktionen bei ADHS als bei BPS.
Quellen:
- Winsper, M. Zanarini, D. Wolke: Prospective study of family adversity and maladaptive parenting in childhood and borderline personality disorder symptoms in a non-clinical population at 11 years. In: Psychological medicine. Band 42, Nummer 11, November 2012, S. 2405–2420,
- A. Distel, I. Rebollo-Mesa, G. Willemsen, C. A. Derom, T. J. Trull, N. G. Martin, D. I. Boomsma: Familial resemblance of borderline personality disorder features: genetic or cultural transmission? In: PloS one. Band 4, Nummer 4, 2009, S. e5334