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Der Darm als größtes Immunorgan

 

Eine besondere Bedeutung bei der Abwehr kommt der Darmschleimhaut zu, die eine Fläche von ca. 200 bis 400 Quadratmeter einnimmt. Man könnte sie mit der Burgmauer des Immunsystems vergleichen. Mit ihr schirmt sie das Burginnere, den Körper, gegen Fremdstoffe (Antigene oder Gifte) aus der Nahrung ab. Unter normalen Bedingungen werden bereits im Burggraben, dem Magendarmtrakt, die Gegner mittels Magensäure und Gallensekrete unschädlich gemacht. Eine gesunde, gut ausgerüstete Darmflora, in denen ca. 100 Billionen Mikroben aus 1800 Bakterienarten leben, sorgt dafür, dass unerwünschte Fremdkeime den Darm nur schwerlich besiedeln können. Durch die Aufnahme von Nahrung ist der Darm die Haupteintrittspforte für Erreger, gefolgt von Lunge und Haut. An dieser Hauptkampffront wütet eine ununterbrochene Schlacht zwischen Aggressoren und Verteidigern.

 

Darm Bild von Alicia Harper auf Pixabay
Leidet unser Darm dann leidet auch unser Immunsystem

 

 

Schon vor 2.400 Jahren soll der griechische Arzt Hippokrates festgestellt haben: Der Tod sitzt im Darm! Das trifft zu, denn durchdringen die gegnerischen Armeen die schützenden Wälle, kann der Mensch erkranken. Fürchterliche Straßenkämpfe im Körperinneren beginnen. Um auch hier siegreich zu bleiben und den Angreifer vernichten zu können, bedarf es einer Armee von trainierten Soldaten, die schnell verfügbar sind und gezielt eingesetzt werden können. Das Verteidigungssystem dehnt sich demnach auf drei Kriegsschauplätzen aus:

 

Primär im Darmlumen, wo eigene Darmbakterien den ersten feindlichen Kontakt, deren Stärke und Ausrüstung an die rückwärtigen Truppen melden, damit diese im Falle eines Durchdringens schneller erkannt werden. Daneben werden Spezialisten aktiv, die Antikörper bereitstellen. Das erste Gefecht beginnt also vor der Burgmauer.

 

Das zweite, wenn die Feinde durchdringen konnten, auf der Darmschleimhaut (Darmserosa), die man mit der Burgmauer vergleichen könnte. Ein Kampf Mann gegen Mann entbrennt.

 

Setzt sich der Kampf auch hinter den Mauern in der Blutbahn fort, ist der dritte Schauplatz erreicht. Hier jedoch warten spezialisierte Einzelkämpfer (Immunglobuline), die gezielt den Feind attackieren. Die meiste Arbeit leisten jedoch die Darmbakterien, die neben der Hilfe bei der Verdauung von Nahrung an der Vitaminproduktion beteiligt sind. Außerdem bekämpfen sie im Vorfeld unerwünschte Pilze[1] und schützen ständig die Darmschleimhaut. Dabei müssen sie mithelfen den physiologischen Darm-pH-Wert zu erhalten. Sie unterstützen die Bildung von Fettsäuren und fördern mit ihren Stoffwechselprodukten Aufbau und Ernährung der Darmschleimhaut. Letztere zeigt sich verantwortlich für die Kontrolle der ‚Passierscheine’ und ist dabei ständig Fälschern auf der Spur, die unerkannt in den Körper gelangen wollen. Solch unerwünschte Eindringlinge, die sich in der Nahrung versteckt haben, werden entlarvt und dann zurückzuweisen oder vernichtet.

 

 

Durch die Darmschleimhaut erfolgt vorrangig die Aufnahme von Mineralien, Spurenelementen, Vitaminen, Kohlenhydraten, Eiweiße, und allen essentiellen Stoffen, die zur Lebenserhaltung wichtig sind. Gleichzeitig reguliert sie die Wasseraufnahme und den Elektrolythaushalt, indem sie die Ausscheidung kontrolliert, was sie auch befähigt, sich von Giftstoffen zu entledigen. Nur eine geschädigte Mukosa (Schleimhaut) lässt fremde Erreger ungehindert in den Körper. Die Darmschleimhaut ist damit das größte Immunorgan des Körpers, in dem etwa 80 Prozent aller Abwehrzellen des Körpers tätig sind. Kein Wunder, dass ihrer Instandhaltung und Pflege eine besondere Bedeutung zukommt. Dazu muss man wissen, welche Einflüsse eine schädigende Wirkung auf die Darmschleimhaut ausüben.

 

Um die Darmschleimhaut zu schützen ist präventiv auf eine richtige Ernährung zu achten (siehe Kapitel „Ernährung“). Hierbei benötigt ein gesunder Darm weder Probiotika noch Darmspülungen. Ist es schon zu einer Dysfunktion des Darmes gekommen, kann symptomatisch eingegriffen werden, wobei aber immer das Augenmerk auf der eigentlichen Ursache liegen muss. Sinnvoll kann hier je nach Indikation und Diagnose die Eliminierung von unerwünschten Bakterien, Pilzen, Viren und Parasiten ausnahmsweise durch Abführmittel und Darmspülungen erfolgen. Je nach Schwere der Dysfunktion kann das Abtöten unerwünschter Keime durch Arzneimittel und eine Wiederherstellung der Schleimhaut durch Schleimstoffe mit physiologischen Bakterien indiziert sein.

 

Störfaktoren für die Darmschleimhaut

1 Zytostatika zur Krebsbehandlung
2 Antibiotika, die körpereigene Bakterien zerstören.
3 Kortison
4 Radioaktive Strahlen
5 Gifte aller Art aus Umwelt und von Schimmelpilzen (Mykotoxine)
6 pH-Wert-beeinflussende Stoffe wie anorganische Säuren (Phosphorsäure in Cola) und zu hoher Eiweißgehalt in der Nahrung.
7 fremde Bakterien und Viren
8 Pilze, wie Candida, die bei hoher Kohlehydratzufuhr gut gedeihen
9 Parasiten, wie Würmer und Amöben
10 Durchfallgeschehen unterschiedlichster Genese mit Darmentzündungen
11 Darmgeschwüre
12 Verstopfung mit folgender Eigenvergiftung weil Stoffwechselgifte zu lange im Darm verweilen
13 Stress

 

Werden einem gesunden Darm ständig fremde Mikroorganismen in Form von probiotischen Nahrungsmitteln zugeführt, kann es zu einer Verdrängung der eigenen Darmflora kommen, das zur Folge hat, dass auf diese Probiotika nicht mehr verzichtet werden kann, wenn man erneute Umstellstörungen vermeiden will. Nicht außer Acht zu lassen ist dabei die Tatsache, dass damit die individuelle Darmflora einem universellen Gleichmacherprinzip weichen muss. Von einer personentypischen Darmflora kann dann nicht mehr gesprochen werden, auch wenn die eigenen Bakterien alle Kräfte mobilisieren, um die Fremdbakterien zu eliminieren. Das Argument, Fremdbakterien zuzuführen, um die eigenen Bakterien besser zu trainieren und dadurch in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen, ist unsinnig, da der menschliche Magen-Darm-Trakt auf natürliche Weise ständig Unmengen an Fremdbakterien aufnimmt. Vielmehr verlässt sich der Darm nach einem allmählichen Verdrängungseffekt auf die zugeführten Bakterien, die allerdings vollkommen andere Strategien verfolgen. Wenn nun alle Probiotika-Esser mit diesen Einheitskolonien versorgt werden, braucht sich nur irgendwo eine Krankheitspopulation zu etablieren, die genau diese Laborkolonien wirksam schädigen. Die Vereinheitlichung der Darmbakterien schafft geradezu beste Voraussetzungen für ein aggressives und erfolgreiches Intervenieren von spezialisierten Krankheitserregern. Wir Menschen sind Individuen, ernähren uns unterschiedlich und benötigen somit differenzierte Darmbakterien und keine künstlichen Einheitszüchtungen aus dem Kühlregal, für deren Erfolg eine entsprechende Einheitsernährung Vorraussetzung ist.

 

 

[1] Allein in Deutschland sterben etwa 9000 Menschen pro Jahr an den Folgen einer Pilzinfektion. In rund 85 Prozent aller Pilzinfektionen kann der Hefepilz Candida als Ursache identifiziert werden. Siegfried Nolting beschreibt in seinem Buch „Mykosen des Verdauungstraktes“ deutlich die Auswirkungen von Pilzerkrankungen im Darm.

Steffen Gruss
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